Vor der Stammzelltransplantation
Meine erste Mail richtete sich an meine Klassenkameraden. Einen Monat vorher hatten wir gerade ein Mini-Klassentreffen mit dem harten Kern oder mit denen, die sich trotz nochmaliger Terminverlegung freimachen konnten, organisiert. Natürlich musste ich mit! Schließlich fand das Treffen in unserem alten Schullager, einem Barackenlager auf Rügen, statt!
Es war sehr nostalgisch. Und sehr schön. Gerade deshalb habe ich mich über die Mails einzelner Schulfreunde nach Bekanntgabe meiner Krankheit sehr gefreut.
Insbesondere nach der ersten Nacht musste ich mir aber sagen lassen, dass meine Schlafapnoe sich einfach beängstigend anhört. Ich wusste ja, dass ich wegen meiner Mandeln dringend etwas unternehmen musste; schon vorher hatte ich mich mittels Überweisung durch meinen HNO-Arzt zur Tonsillektomie angemeldet. Zwar waren meine Mandeln in den letzten Jahren nie vereitert gewesen; aber sie waren groß, wurden immer noch größer, verursachten im Winter eine Art Dauer-Reizhusten und machten Zahnbehandlungen wegen Erstickungsanfällen nahezu unmöglich.
Ich hatte Angst vor den Nachblutungen, wollte so lange wie irgend möglich im Krankenhaus unter Aufsicht bleiben. Die Kinder hatten wir für die erste Ferienwoche vorbeugend mit den Großeltern in den Urlaub geschickt, nicht ahnend, was noch auf uns zukommen würde.
Rundmail vom 21. Oktober 2010
Hallo, Ihr Lieben,
wie Ihr wisst, wollte ich mich (in den Herbstferien, mit Rücksicht auf unsere Kinder) an den Mandeln operieren lassen. Ich war sehr aufgeregt, hatte am meisten vor Nachblutungen Angst.
Am Vorbereitungstag auf die OP habe ich wirklich den Albtraum meines Lebens erlebt. Na ja, jedenfalls kam eine Schwester nach den beiden Arztgesprächen noch mal rein, um noch einmal Blut abzunehmen. Ein Wert müsse überprüft werden. Kurz danach wurde ich "in einem Affenzahn" verlegt - auf die Hämatologie/Onkologie-Spezialabteilung.
Viele Untersuchungen und eine Beckenmarkpunktion (KMP) später steht fest, dass ich chronische Leukämie (B-CLL) habe. Die erste Antikörper-/Chemotherapiebehandlung habe ich hinter mir und setze sie jetzt ambulant fort. Da die zytogenetische Feindiagnostik noch ausstand, sagte ich zu dem Arzt, ich hoffe ja, nicht allzu tief in die … gegriffen zu haben, was die Aggressivität betrifft. Ich ahnte aber schon, dass ich habe, denn ich bin an sich "zu jung" für diese Krankheit.
Na ja, auch mein neuer Arzt meint, immer mal wieder "entwickeln" Patienten sich wider jeder Prognose; ich habe heute beschlossen, möglichst ein solcher Patient zu sein.
Lasst euch, sofern Ihr gesund seid, typisieren, damit könnt Ihr Leuten wie mir helfen. Witziger Weise bin ich selbst seit etwa einem Jahrzehnt in der DKMS-Datenbank.
LG, Eure S.
Die ersten Tage im Krankenhaus, vom 06. bis 08. Oktober 2010, stand ich vermutlich unter Schock, aber es fühlte sich gar nicht so an. Eher waberte ich so dahin wie in einem Wattebausch gefangen und wartete, dass dieser interessante Traum auch mal wieder aufhört und ich erwache. Trotzdem hatte ich am 07., so meine ich, das dringende Bedürfnis, wie wild in der Gegend umher zu telefonieren und verschiedene Leute zu informieren, so z. B. unsere Kinderärztin, die ich seit 13 Jahren kenne, und meinen Internisten für die Schilddrüse. Beide riefen auch prompt zurück. Mein Internist war es auch, der mir sagte, zumindest sei ich deutschlandweit betrachtet in den besten Händen, weil Dresden derzeit führend auf diesem Gebiet sei. Irgendwie hat mich dieser Ausspruch für den Rest meiner Behandlung gleich enorm beruhigt. Oberarzt (OA) O., der das erste aufklärende Gespräch wegen der erhöhten Leukos mit mir führte, war sehr einfühlsam. Dass die Ärzte sich ziemlich sicher waren, dass ich Leukämie habe, gab man mir auch schon vor der KMP zu verstehen. Auch, dass sie wohl chronisch sein würde. Brav trabte ich von Voruntersuchung zu Voruntersuchung (Lungenröntgen, Herz-Echo und EKG, Bauch-US, nach dem Wochenende noch CT von Kopf bis Lunge) und fand den Betrieb in so einer großen Klinik faszinierend.
Ich war froh, am Freitagnachmittag WE-Urlaub zu bekommen bis Montagfrüh. Ich würde mich hinsichtlich meiner Krankheit erst mal durchs Internet „googeln“.
Anmerkung: Das mit den „Googeln“ sollte sich als etwas aufwändig und problematisch erweisen. Es gibt recht viele recht unterschiedliche Seiten zu Leukämie. Seiten, die älter als zwei Jahre sind, sind gerade im Hinblick auf Mini-Transplantationen schon geradezu veraltet usw. Auch das gab den Ausschlag für die Einrichtung dieser Seite.
Die erste Chemo-Runde (R-FC) war gewöhnungsbedürftig; mir war schlecht, ich hatte kaum Appetit, dafür Verstopfung usw. Später habe ich an den Chemo-Tagen nicht mehr unmittelbar so stark reagiert. Zwar war die Chemo am Freitag vorbei; man behielt mich aber am WE noch zur Beobachtung da. In meinem Zimmer lag zunächst eine Studentin, die Knochenmark spendete; sie wurde von einer Patientin im Alter meiner Mutter abgelöst, die einige Tage später ein Einzelzimmer und eine autologe Stammzelltransplantation bekam.
Am Tag meiner Entlassung versammelte sich zur Visite das Who is Who der Dresdner Hämatologie um mein Bett; Klinikdirektor Prof. E. selbst hielt, was wohl selten genug klappt, die Visite ab. Auch Prof. B. kam hinzu, Dr. K., Dr. O. …
Gleich am Mittwoch nach meiner Entlassung war ich bei meinem neuen Onkologen, Dr. M., wegen der weiteren ambulanten Behandlung. Ich hatte mir einen Mann etwa in meinem Alter „gewünscht“, und das KH hatte mir einen ehemaligen Kollegen vermittelt. Die Praxis und er selbst sind wirklich gut; unser Anfang verlief aber eher holprig. Eben hatte Dr. M. eine Mail vom KH zu meiner niederschmetternden zytogenetischen Feindiagnostik bekommen, und jetzt hatte ich das Gefühl, ihn trösten zu müssen. Verkehrte Welt!
Auch später fand ich es gut. Er ist sehr engagiert, auch am WE für die Patienten per SMS zu erreichen usw.
An jedem Abend hatte ich, soweit ich mich erinnere, das erste und einzige Mal einen kleinen Zusammenbruch mit Weinkrampf.
Es folgt eine Mail, die ich in der Zeit nach meiner (ersten) Entlassung erstmals geschrieben und dann immer weiter verfeinert habe. Sie diente dazu, dass ich nicht jedem Bekannten gegenüber immer wieder vom Urschleim anfangen musste und alle trotzdem gut informiert waren.
Die zweite Mail wirft dann eher ein Licht auf die merkwürdige Stimmungslage, in der ich mich die ganze Zeit über überwiegend befand. Es hat mir geholfen, das alles gut durchzustehen.
Am 31.12.2010 16:09, schrieb S.:
Liebe B., lieber H.,
zu den "Feinheiten" meiner Erkrankung, die mich durchaus fasziniert, obwohl ich gut hätte drauf verzichten können, habe ich im Folgenden mal ein bisschen Text zusammengeschrieben.
Wenn man die chronische lymphatische Leukämie im Internet googelt, liest sich das alles recht harmlos. Der Teufel liegt aber im Detail: Normalerweise kriegen das ca. anderthalb mal so viele Männer wie Frauen und das sog. Durchschnittseintrittsalter liegt bei 65 Jahren. Das heißt, bei diesen Rentnern wird das dann meist eher zufällig entdeckt, und häufig kann das dann erst einmal ein paar Jahre nur beobachtet werden, ehe man zu Chemokeule, Antikörpern und dgl. greifen muss. Akut wird es, wenn der Erkrankte an keiner Infektionsquelle mehr vorbeigehen kann, ohne diese in Form einer Ansteckung mitzunehmen. (Oder wenn ständig Hautinfektionen auftreten, die Haare ausgehen, das Gewicht abnimmt und man „irre“ nächtliche Schweißausbrüche durchstehen muss – wie ich später feststellen musste.)
Nachdem ich mich solcher Art eingelesen hatte, fragte ich mich natürlich schon, warum ich in fast jeder Beziehung vom Durchschnittspatienten abweiche, und wartete ziemlich angespannt auf das Ergebnis der zytogenetischen Untersuchung. Dabei wurden, grob gesagt, nicht meine Gene, sondern die meiner Krebszellen untersucht. Von dem Ergebnis war ich nicht sehr überrascht: Ich habe eine sog. 17-p-Deletion (p53-Gen involviert und noch irgendwas mit 11-q), laut Literatur die ungünstigste Prognose hinsichtlich Rückfälligkeit und Ansprache auf Chemo-/Antikörpertherapie.
Bereits im Krankenhaus habe ich die erste Chemo-Runde bekommen, und so geht das jetzt ambulant aller vier Wochen weiter. Ich kriege einen Tag einen monoklonalen Antikörper (Rituximab, teuer/im vierstelligen Bereich), dann drei Tage Chemo, kombiniert aus Fludarabin und Cyclophosphamid, eine leichte Dosis. Bisher vertrage ich das ganz gut, schlecht und schwindlig ist mir hauptsächlich an den ersten drei Tagen nach der Chemo, später sind dann die Blutwerte ziemlich unten. Meine Fingerspitzen sehen häufig aus wie Wachs, meine Haare sind dünner geworden und ich nähere mich endlich wieder meinem Idealgewicht. Bei jeder Art von anhaltenden Infekten oder Fieber soll ich gleich ins Krankenhaus. Einmal musste ich auch schon eine Erythrozytenkonserve bekommen.
Jetzt wird erst einmal versucht, durch o. g. Therapie die Krankheit weitgehend zurückzudrängen und gleich im Anschluss, ohne erst lange auf einen Rückfall zu warten, bekomme ich nach dem Willen des Tumorboard im Uniklinikum eine Stammzelltransplantation. Idealerweise passt meine Schwester als Spenderin. Die Wahrscheinlichkeit hierfür lag nur bei 25 %. Nun passt sie also, und dass auch noch bei einer Merkmalsübereinstimmung der HLA-Proteine von 100 %.
Früher hat man nur Knochenmarkstransplantationen gemacht, jetzt nur noch bei bestimmten Krankheiten, sonst eher die Stammzelltransplantation. Dabei werden die Stammzellen statt aus dem (aus dem Beckenkamm gewonnenen) Knochenmark aus dem Blut des Spenders gewonnen. Dessen Blut wird ab einer Woche vorher zur Bildung von Stammzellen angeregt. Die Entnahme gleicht dann einer Spende von Blutplasma.
Dass M. auch noch in derselben Stadt lebt und ich daher ihre Spende nicht im vorher gefrorenen Zustand, sondern frisch bekomme, ist auch eher günstig, denn dann soll der Vorgang an sich vom Empfinden her besser verträglich sein.
Natürlich birgt das Ganze nicht unerhebliche Risiken, über die ich aufgeklärt wurde und derer ich mir bewusst bin. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Aspekte:
Da wäre zum einen das graft versus host disease, welches in unterschiedlicher Schwere die Haut, das Magen-Darm-System oder die Leber treffen kann. Das neue Immunsystem wandert durch den Wirtskörper und beschließt, was ihm fremd vorkommt und was es über Bord schmeißen möchte. Weiterhin ist durch die Gabe von Immunsuppressiva sowie durch die 5tägige Chemo, die man unmittelbar vor der Transplantation kriegt, das eigene Immunsystem natürlich ziemlich am Boden. Zwar gibt es die berühmt-berüchtigte Plastikzelle nicht mehr, und ich kann im Krankenhaus sogar (gesunden) Besuch bekommen. Allerdings sind die Zimmer mit einem Frischluftsystem versehen, die Fenster sind nicht zu öffnen und das Wasser im Bad durchläuft ein besonderes Filtersystem (so war es jedenfalls auf der Station, auf der ich anfänglich lag). Es wird sogar so sein, dass ich mind. ein Jahr lang häufiger mit Mundschutz und Baumwollhandschuhen rumrennen werde, wenn ich unter Leute gehe. Schutzimpfungen muss ich mir nach, ich glaube, 1/2 bis 1 Jahren alle wieder neu holen, denn ich werde das Immunsystem auf dem Stand eines Neugeborenen haben.
Was die Kinder betrifft, so reagieren sie weiter gar nicht, nicht einmal, wenn man ihnen (einmal) versuchsweise das Wort Krebs um die Ohren haut, denn irgendwie liegt die Bedeutungsschwere des Ganzen außerhalb ihres Ermessens. T. malt schon mal lustige Bilder von Mama mit Glatze (bisher sind die Haare wie gesagt nur sehr dünn geworden, werden im Krankenhaus aber auf jeden Fall ausgehen) und beim Zubettgehen oder Zu-den-Hausaufgaben-hin-Komplimentieren sind sie weiterhin anstrengend. Und obwohl meine Mutter und ich ihnen auch schon mal gesagt haben, dass es immerhin im Bereich des Möglichen liegt, dass ich - zu früh, wohlgemerkt - sterben könnte, kommt das
für sie überhaupt gar nicht ernsthaft in Betracht.
Für den Jüngsten war ich nach dem KH-Aufenthalt sowieso erst einmal geheilt, sonst hätten die Ärzte mich ja nicht entlassen.
Wie Ihr seht, sind meine Aussichten doch gar nicht so schlecht. Einzig die Stammzelltransplantation bietet die Aussicht auf eine vollständige Heilung; die Chemo würde nur Remissionen bringen, und in meinem Fall möglicherweise nicht einmal das oder nur kurzzeitig. Auch diese Chemo wird nämlich keine Hochdosis-Chemo werden, sondern man nutzt anschließend bewusst das sog. graft versus malignancy Prinzip. Dabei sollen die Zellen des neuen Immunsystems die letzten noch auftretenden Krebszellen ausschalten, um auf Nummer sicher zu gehen.
Ich bin, wie gesagt, fasziniert und fühle mich in den besten Händen. Der Klinikdirektor, Prof. E., ist eine Koryphäe, und mein behandelnder Arzt im KH ist CLL-Spezialist; kommt übrigens von der Charité.
Ich melde mich bald einmal wieder. Bis dahin viele liebe Grüße von Eurer S.
Am 24.02.2011 11:24, schrieb S.:
Liebe E.,
vielen Dank für Deine Mail. Ja, Du hast recht, zu Zeiten von Jose Carreras (1987) hätte ich, glaube ich, auch lieber keine KMT bekommen. Damals lief ja alles noch mit Hochdosis-Chemo und eben KM statt SZ. Am schwersten war es für mich, in Bezug auf die Kinder loszulassen; aber jetzt sehe ich, dass a) ich alles gut organisiert habe und b) die anderen auch können, wenn sie müssen. Und das Vertrauen unserer Kinder in unser Gesundheitssystem scheint nahezu unerschütterlich. Mutti ist eben mal eine Zeitlang aus dem Verkehr gezogen, unser Leben geht weitestgehend wie gewohnt weiter, alles in Ordnung bisher.
Der Kinder wegen habe ich mir auch zu keiner Zeit tieferschürfenden deprimierenden Gedanken hingegeben; klar will ich sie aufwachsen sehen und daher aktiv an allem mitwirken, was meine Heilung verspricht. …
So, jetzt bin ich ins Schwafeln gekommen; wie geht es eigentlich Dir bzw. Euch? Gesundheitlich, beruflich usw.
Zunächst viele liebe Grüße, S.
Was meine Äußerungen zu den Kindern betrifft: Das hatte etwas vom lauten Pfeifen des einsamen Wanderers im Wald. Manch einer hätte jetzt sicher erwartet, dass Muttertags-ähnliche Zustände über mich hereingebrochen wären, indem die Kinder außerordentlich folgsam gewesen wären und mir quasi jeden Wunsch von den Lippen abgelesen hätten. Stattdessen bemühten sie sich, weiterhin größtmögliche Normalität walten zu lassen. Wie ich mich später rückversichert habe, ist dieses Verhalten völlig normal. Ein anderes Verhalten hätte bedeutet, das Unglück allzu nah an sich herankommen zu lassen. Das will natürlich niemand.
Im KH hatte ich das Anti-Krebs-Buch von David Servan-Schreiber gelesen; ein Neurologe und Psychiater, der selbst Krebs und einen Rückfall hatte und sich seither intensiv mit der Thematik befasst. Ich finde das Buch immer noch gut und recht wissenschaftlich untermauert. Ich wollte mir viele gute Dinge antun.
Natürlich wurde aus diesem epischen „Neujahrs“-Vorhaben erst einmal nichts. Die Chemo und meine zunehmende Infekt-Anfälligkeit ließen das nicht zu; nach der SZT gleich gar nicht. Also mussten kleine Spaziergänge und gemütliches Kaffeetrinken bei Kerzenschein erst einmal ausreichen.
Am 3.11.2010 wurde ich einem weiteren Arzt vorgestellt, einem CLL-Spezialisten aus dem KH, OA der Station Stammzelltransplantation, der selbige dann letztlich auch verantwortlich/leitend durchgeführt hat.
Er nahm sich viel Zeit, erläuterte mir (neben einer gründlichen Untersuchung) meine Krankheit, die Besonderheiten meiner Diagnose und die daraus folgenden Therapienotwendigkeiten. Das war angenehm und nahm mir viel von meiner Angst, die trotz dauernder Verleugnung natürlich da war.
Noch am selben Abend mailte ich ihm dann, dass meine Schwester sich typisieren lassen hatte:
From: O
Sent: Wednesday, November 03, 2010 12:12 PM
To: Sch., J.
Subject: Typisierung
Sehr geehrter Herr Dr. Sch.,
für das angenehme Gespräch am gestrigen Tag bedanke ich mich.
Möglicherweise hat Herr Dr. M. Ihnen bereits mitgeteilt, dass meine Schwester sich inzwischen hat typisieren lassen; am Montagabend in seiner Praxis. …
mit freundlichen Grüßen S O
Die Auswertung sollte etwa eine Woche dauern. Am Abend des 10.11.2010 rief der OA persönlich an, um mir mitzuteilen, dass meine Schwester tatsächlich HLA-kompatibel ist.
Ich konnte mir keine größeren Heilungschancen ausmalen als durch eine Transplantation.
From: O
Sent: Wednesday, November 10, 2010 7:02 PM
To: Sch., J.
Subject: Transplantation
Lieber Herr Dr. Sch.,
vielen Dank für das Telefongespräch …
Mit meiner Schwester, Frau …, konnte ich inzwischen auch schon sprechen und ihr den vorgesehenen Ablauf in groben Zügen mitteilen.
Sie wird sich mit der angegebenen Fachabteilung (der Transfusionsmedizin) in Verbindung setzen …
Mit freundlichen Grüßen S O
Dr. Sch. war es auch, der die Idee mit dem Sport hatte. Eine gute Idee. Es tat mir gut, auch, wenn ich nur 4 von 6 Terminen wahrnehmen konnte, da ich dann fortgesetzt kränkelte und der Dezember 2010 ein fürchterlicher Wintermonat war.
Der Geburtstag unseres jüngsten Kindes als Kindergeburtstag wollte auch gefeiert werden. Wir gingen zu einem Rollschuh-Märchen; alles andere wäre mir wohl zu stressig geworden.
Am 08.12.2010 19:18, schrieb S O:
Hallo, J.,
ich selbst bin auch etwas erkältet, bin froh, dass sie die Chemo nicht gleich verschoben haben. Kriege wahrscheinlich am Freitag eine Transfusion. …
LG, Silke
Zu meiner allerersten Bluttransfusion:
Am 15.12.2010 13:24, schrieb O.:
Hallo, J.,
zuerst dachte ich, oh Mann, ich merke gar nichts. Donnerstag bis Samstagmittag ging es mir schlecht, anders als bei der zweiten Chemo. Dann ging es aufwärts, und ich dachte, wer weiß, wie mies es mir ohne Blut gegangen wäre. …
Mein größtes Problem ist, dass ich die eine Nacht gar nicht schlafe, dafür am nächsten Abend (das Fernsehen) verschlafe und früh kaum aus dem Bett komme. Ohne meinen Mann wären die Kinder völlig aufgeschmissen. Könnten sich freilich auch mal ´nen Wecker stellen und mich wecken. …
LG, bis bald und gute Besserung, Silke
Am 29.12. sollte ich den OA nochmal treffen. Natürlich rückte die Transplantation immer mehr ins Blickfeld. Meine Aufregung nahm zu und drohte in Panik umzukippen. Ständig hatte ich Angst, dass in letzter Minute etwas schiefgehen könnte.
Am 22.12.2010 11:55, schrieb S O.:
Sehr geehrter Herr Dr. M.,
die Allgemeinärztin hat mir Fagusan verordnet. Ist das ok? (Lunge frei/kein Rasselgeräusch, aber: unwohl wie neuer Infekt/leichte Schweißausbrüche/verschleimt/Husten tut weh. Und: leichte Panikattacken wegen der Feiertage) Das Antibiotikum würde ich mir aufheben, bis das Sputum die Farbe verändert. Oder so.
VGr, S O
Bei Infekten bekam ich häufig ein Antibiotikum verschrieben, in der Regel Tavanic.
….und am 30.12. nachmittags bin ich dann auch prompt in der Rettungsstelle gelandet, siehe meine Mail vom Januar
Dann kam der vereinbarte Termin mit dem OA. Ich hatte wieder viele Fragen bezüglich der SZT und der Zeit danach, die er auch geduldig beantwortete. Worauf wir aber gar nicht zu sprechen kamen: Ganz praktische, sozusagen pflegerische, für mich wichtige Fragen. Meine diesbezüglichen Wissensdefizite wurden mir erst kurz vor der KH-Einweisung bewusst.
Soviel wusste ich aber auch so schon und hatte es in besagtem Gespräch angesprochen: Schimmel ist für Immunsupprimierte ganz schlecht, und wir hatten da gewisse Verhinderungsprobleme in unserer Wohnung wegen teilweise veralteter Fenster usw. Ein guter Bausachverständiger musste umgehend heran organisiert und seine Maßgaben umgesetzt werden …
Von Seiten der Ärzte (HNO, Gyn, Zahnarzt) mussten Atteste beigebracht werden, dass ich keine entzündlichen Prozesse ausbrüte; besonders hinsichtlich des zahnärztlichen Befundes machte ich mir (unnötige) Sorgen. Doch auch im ersten Jahr nach der SZT wurde ich die Angst nicht los, eine zahnärztliche Behandlung könne notwendig werden. Sogar für die Zahnreinigung bekam ich ein Antibiotikum verschrieben …
Der Reizhusten hielt sich hartnäckig; ein CT-Termin war organisiert. Auf den Bildern hat man dann wohl gesehen, dass Wasser sich in der Lunge anfing zu sammeln.
Von: O.
Gesendet: Mittwoch, 29. Dezember 2010 14:22
An: Sch., J.
Betreff: CT-Termin
Sehr geehrter Herr Dr. Sch.,
(Mir) wurde … der 03.01.2011, 9.30 Uhr als Termin mitgeteilt.
Mit freundlichen Grüßen, S O
Am 05.01.2011 18:46, schrieb S O:
Hallo, liebe J.,
erschreck Dich nicht, ich bin es trotzdem! Ich habe jetzt meine eigene Mailadresse schon fürs KH. …
Diese Woche hätte ich eigentlich Chemo. Aber die Ärzte haben jetzt so einen Zwischencheck mit mir gemacht; vorige Woche Punktion (Dr. M.; hat er gut gemacht), dann jede Menge Blutuntersuchungen im KH, am Montag CT. Jetzt wollen sie entscheiden, ob ich nächste Woche normal Chemo kriege oder nur einen neuen Antikörper. …
Mitte Februar soll es losgehen … Ich selbst bin fortgesetzt kränklich. Ich hatte ja diese Erkältung zu unserer gemeinsamen Chemo. Die ging auch ganz gut weg, nur dieser Schleim ging einfach überhaupt nicht weg. Ich musste ständig abhusten. Vor Weihnachten kam noch trockener Reizhusten dazu, und der Brustkorb fing an weh zu tun. Das wurde vor Silvester schlimmer. Da weit und breit schon kein Arzt mehr auf hatte, ging ich in die Notaufnahme, Haus 81, so wie man mir gesagt hatte. Oh Schock! Wenn du dahin gehst, wirst du praktisch gleich ins Bett gepackt und stationär aufgenommen. Ich konnte mich dann doch „aus deren Klauen befreien“; man sagte mir, dass ich vollkommen richtig gehandelt hätte, auch wenn es diesmal vielleicht nicht zwingend notwendig gewesen wäre; nach der Transplantation dann doch. Zu Neujahr lauerte aber schon der nächste Infekt, weißt schon, wenn es so mit Schüttelfrost losgeht und so. Ich bin mehrere Nächte lang wirklich schweißgebadet aufgewacht, hatte leichte Gliederschmerzen. Das ist jetzt vorbei, aber dieser Husten haut mich immer noch um. Hoffentlich klappt es mit der Chemo nächste Woche! ….. Jetzt aber genug gejammert!
Noch einmal alles Gute für Euch. LG, S.
Die Transplantation rückte in greifbare Nähe. Nach dem 4. Zyklus R-FC sollte ich am 8.02.2011 auf Station aufgenommen und am 18.02.2011 transplantiert werden. Die vom Bausachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen mussten auf ein finanzierbares Maß heruntergebrochen werden, Krankenkasse und Haushaltshilfe für die Kinder koordiniert werden. Ich schrieb Checklisten zum einen für die Betreuung der Kinder an den Wochentagen, zum anderen den Haushalt betreffend. Ich fühlte mich ständig unverstanden und überfordert, machte mir Gedanken, ob die Familie mitziehen würde. Mein Ton, auch im Schriftlichen, wurde rauer, um es diplomatisch auszudrücken.
Nach der vierten Chemo ging es mir dann so richtig schlecht: Ich bekam eine schwere Zystitis, weil irgendwelche bis dahin schlummernden Polyomaviren meinten, mein Immunsystem wäre grad so schön down. So ziemlich in jeder Nacht erlitt ich zudem fürchterliche Schweißausbrüche. Sich dünner zu zudecken nützte gar nichts, weil ich eigentlich fürchterlich fror. Die Schweißausbrüche kamen trotzdem immer wieder.
Mail vom 25.01.2011
Hallo, J., vielen Dank für Deine Mail. Ich drücke Dir wirklich riesig die Daumen, dass von Dr. M. nur noch gute Nachrichten kommen. Für mich hatte er in letzter Zeit nur schlechte. Erst hieß es, ich habe ein Lungenödem. Wir hoffen es geht von allein wieder weg. Dann habe ich immer noch eine Harnröhrenentzündung, weil die Chemo die Schleimhäute angegriffen hat statt der Mundschleimhaut. Das sind vielleicht Schmerzen! … Jetzt trage ich Inkontinenzbinden. Muss ich alles nicht noch mal haben. Außerdem schwitze ich jede Nacht, aber nicht nur so ein bisschen, sondern ich muss bis zu 5x das Nachthemd wechseln, und auch die Bettwäsche ist klatschnass. Ich hoffe, wir kriegen das alles bald hin, denn am 08.02. "rücke" ich ein. …
VG, Silke
Am 30.01.2011 12:17, schrieb S O:
Hallo, Ihr Lieben,
bitte entschuldigt, wenn ich letztens kurz angebunden war, aber ich muss sagen, mir wurde zuletzt alles zu viel. …
Und über allem schwebte die Angst, nicht rechtzeitig bis zur Einweisung wieder fit zu sein. …
Also planmäßig gehe ich am 08. Februar ins KH. Ich werde mir eine Telefonkarte zulegen. Ich hoffe, Ihr bleibt alle schön gesund! …
VlG, Eure Silke
Nächtliches Schwitzen hatte ich mit Unterbrechungen vor, während und nach der SZT. Bis heute ist nicht klar, ob das Chemo-Folgen waren oder die CLL, die so wütete. Ich war jedenfalls froh, dass es immer mal wieder für ein paar Tage aufhörte.
Eine junge Psychologin, die auch für die psychologische Betreuung der Patienten auf Station zuständig war, führte einige Gespräche mit unseren Kindern. Sie arbeitete im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Belastung Jugendlicher mit krebskranken Eltern. Doch die Zeit war bereits weit fortgeschritten.
Am 25.01.2011 12:42, schrieb S O:
Sehr geehrter Herr Dr. Sch.,
nächste Woche, konkret am Mi 02.02.2011, begleite ich meine Kinder zu Frau Fl. und muss dann ein wenig Zeit „totschlagen“. …
Wären Sie vielleicht so freundlich mir die Station zu zeigen, damit mir am 08. nicht alles so fremd ist? Allerdings wäre ich erst so 16.30 Uhr da. Wäre aber riesig nett.
Mit freundlichen Grüßen S O
Auf Station wurde ich sehr freundlich von der Stationsschwester und dem diensthabenden Arzt, M.M., empfangen. Mit letzterem hatte ich auf Station praktisch am meisten zu tun: Er legte einen ZVK, machte die KMP, war am häufigsten bei Visiten zugegen usw. Derzeit ist er in der Nachsorge für mich zuständig.
Wie immer, wenn ich irgendwo auftauchte, wurde mir auch hier wieder erst einmal viel Blut abgenommen. Das musste der Arzt wegen meiner schlechten Venen selbst machen; es war klar, dass ich um einen ZVK (Zentralen Venenkatheder) nicht drum herum kommen würde. Ich durfte in ein Zimmer hineinsehen, das dann zufällig für 5 ½ Wochen auch „meins“ wurde. Und ich bekam – gerade
noch rechtzeitig – die Patienteninformationsbroschüre (a.a.O.) ausgehändigt. Als ich diese las, drohten mich wieder leichte Panikattacken zu schütteln. Aber noch waren 6 Tage Zeit …
Am 04.02.2011 12:25, schrieb S O:
Hallo, Herr Dr. Sch., ich habe vorhin einen ganzen Packen Unterlagen, von Herrn Dr. M./mich betreffend, vereinfachend in der Ambulanz abgegeben. Sind sie evtl. schon auf Station angekommen?
Schönes Wochenende, SvO