Nach der Stammzelltransplantation


Den ultimativen Patientenratgeber für die Zeit nach SZT, also auch Tage 100+, hat m. E. die Uni Freiburg erstellt. Sie finden ihn auf den Seiten der DLH: http://www.leukaemie-hilfe.de/broschuerenangebot.html.

Mit inzwischen mehr als einjähriger Erfahrung erscheint mir  - im Augenblick - das Folgende besonders wichtig:

- ausreichendes Trinken, um die notwendig einzunehmende Medikamentenmenge kompensieren zu können. Man sollte zumindest häufiger kontrollieren, ob man die erforderlichen 2 bis 2,5 l Trinkmenge wirklich einhalten kann.

- bei Veränderungen des Befindens, die stark beunruhigen, nicht erst lange überlegen, ob es sich jetzt um einen Infekt oder eine Abstossung handelt, sondern am besten gleich losfahren.

 

Liebe Leser,
 

Zunächst zur Beruhigung an alle, die das Ganze noch vor sich haben: Jeder Verlauf ist absolut individuell und daher immer irgendwie auch anders.

Ich kenne wenigstens einen Patienten, der kurze Zeit nach mir transplantiert wurde und nach eigenem Bekunden das erste Jahr nach der Transplantation ohne jedwede Abstoßungen, Infektionen etc. zugebracht hat. Von mir selbst denke ich, dass ich bisher einigermaßen Glück hatte.

Allgemeinbefinden

Viele Transplantierte frieren nach SZT. Bei mir begann der Frühling. Draußen trug ich zwei Hosen übereinander. Am späten Nachmittag kam regelmäßig der Schüttelfrost. Nachts war das Bettzeug mehrfach durchgeschwitzt. Ich habe das meinen Ärzten regelmäßig berichtet, und sie schienen es schon zu kennen. Ich arrangierte mich mit der Situation, und nach 2 oder 3 Monaten hörte es ganz von selbst auf.

Im Krankenhaus legt man ein sog. Stecklaken über das Bettlaken. Das kann man x-mal wechseln. Über das Kopfkissen kommt ein Handtuch. Nachtwäsche kann man notfalls auch im Halbschlaf wechseln. Die Zudecke dreht man einfach mal nach oben. Und wenn es gar zu arg ist, wird tatsächlich das Bettzeug gewechselt.

Infektionen

Infektionen hatte ich nur zweimal innerhalb der ersten anderthalb Jahre (Magen/Darm und Husten) und auch die in mir schlummernden verheerenden Viren hielten sich bisher tunlichst zurück. Gegen den drohenden Ausbruch des CM-Virus (Cytomegalie-Virus) nahm ich an einer Phase III - Medikamenten-Studie teil (und vermute, ich hatte nicht das Placebo).

Infektionen waren - ganz im Gegensatz zu anderen Patienten - nicht mein größtes Problem. Die erste nennenswerte Infektion, einen Magen-Darm-Virus, hatte ich nach ca. 10 Monaten. Bei Immunsupprimierten verlaufen selbst harmlose Infektionen sehr viel heftiger und länger als bei Gesunden.

Wieder arbeiten

Auf meine Frage sagte man mir, ich könne günstigstenfalls nach einem Vierteljahr wieder arbeiten. Tatsächlich habe ich ca. ein Dreivierteljahr nach SZT einen vorsichtigen Versuch gewagt, mir dann aber erstmal beide Arme gebrochen, nochmals im KH eingecheckt und tatsächlich nach eineinviertel Jahr wieder angefangen zu arbeiten.

Ein anderer Arzt hat mir eher davon abgeraten zu arbeiten, solange ich noch Immunsuppressiva nehme. Da wir schulpflichtige Kinder haben, machte das aber keinen so großen Unterschied.

Wenn man die Immunsuppressiva möglichst bald absetzen kann und danach keine GvHD oder sonstige Komplikationen hat, ist sicher einiges möglich.

Von vornherein festlegen würde ich mich aber nicht. Schlussendlich kommt manches anders als geplant. Die meisten Transplantierten, so heißt es, auch die Kinder, fangen erst ca. 1 Jahr nach SZT/KMT wieder mit Arbeit bzw. Schule an.

Medikamente/Nebenwirkungen

Ca. 100 Tage nach SZT habe ich von Sandimmun/Ciclosporin auf Advagraf/Tacrolimus gewechselt. Zweieinhalb Jahre danach bin ich dabei, Certican endgültig auszuschleichen. Und immerhin bin ich schon passiv immunisiert.

Das Ciclosporin habe ich als Saft genommen. Es hieß, die Kapseln seien ordentlich groß zum Schlucken.

Sich immunisieren lassen heißt: Du hast doch, wie wir alle, mit dem neuen Immunsystem Deinen kompletten Impfschutz verloren und musst ihn jetzt nach und nach wieder aufbauen. Die Kasse zahlt.

Man fängt aus Vorsichtsgründen erst mal mit sogenannten Totimpfstoffen an. Das sind z. B. Tetanus (ganz wichtig!!!), Hepatitis A+B, Diphterie, Keuchhusten, Hib, Polio, Pneumokokken (ich habe alles dreimal in einer 5fach-Impfung bekommen, Hepatitis und Pneumokokken extra, ebenfalls mehrfach). Die Hausärztin musste den 5fach-Kinder-Impfstoff extra bestellen, alles andere hatte sie vorrätig. Das war lustig.

Jedes Jahr Influenza, aber zunächst nur mit einem Totimpfstoff. 

Wenn man die Immunsuppressiva (eine Weile) abgesetzt hat, darf man mit Lebendimpfstoffen anfangen. Hauptsächlich sind das Masern-Mumps-Röteln.

Aciclovir nehme ich jetzt noch und Cotrim habe ich bis vor kurzem noch genommen. Stattdessen inhaliere ich  wegen meiner Nieren noch 1x monatlich ein Antibiotikum.

Infolge meines Prednisolon - Konsums gepaart mit der SZT erfüllten sich die Prophezeiungen des Beipackzettels, noch bevor ich eine Knochendichte-Messung hatte: Beidseitiger Bruch infolge Knochenabbaus am Kopf der Oberarmknochen bei einem völlig unspektakulären Sturz. Wie alle anderen Ärzte vermieden auch die Unfallchirurgen tunlichst einen operativen Eingriff und freuten sich besonders über das recht gute Ergebnis der rein konservativen Behandlung. Inzwischen bekomme ich Vitamin D und einmal jährlich ein modernes Bisphosphonat intravenös.

GvHDs

Da meine Schwester in 10 von 10 HLA-Merkmalen mit mir übereinstimmt, hatte ich gehofft, ohne GvHD auszukommen. Daher fragte ich mich schon bei jeder neuen Abstoßung, womit ich mir die nun wieder „verdient“ hätte.

Zwar musste ich mich fast mit jeder Art von GvHD (Abstoßung) herumschlagen, die denkbar und möglich ist. Diese gingen aber gefühlt nie über Grad I-II hinaus. Gefühlt deshalb, weil mir erklärt wurde, dass der Grad einer Leber-Abstoßung nur mittels einer histologischen Untersuchung bestimmt werden kann. Das aber erfordere die Durchführung einer Leber-Biopsie. Um diese bin ich eben noch mal herum gekommen, weil die Abstoßung medikamentös gut in den Griff zu bekommen war. Ich hatte in der Reihenfolge wie folgt eine Abstoßung:

 

Nachdem ich all das hinter mich gebracht hatte, dachte ich: Aber meine Lunge war noch nie betroffen! Ich hätte nicht so (vor)laut denken dürfen. Prompt ergab eine Lungenfunktionsprüfung, gefolgt von einem speziellen CT und einer Bronchoskopie (ohne Biopsie), dass eine Abstoßung vorliegt. Ich hatte eine langwierige Husteninfektion überwunden und hielt den immer wieder mal aufkommenden leichten Husten für „Nachwehen“. Die Lungenabstoßung sollte dringend aufgehalten werden; im Gegensatz zu den anderen Abstoßungen sind die bereits erfolgten Beeinträchtigungen des Organs unter Umständen (!) nicht reversibel. (Siehe hierzu auch und ausführlicher unter F.A.Q.)

Fieber hatte ich bei den Abstossungen meiner Erinnerung nach nie. 

Natürlich haderte ich damit, dass ich Abstoßungen hatte/habe und fühlte mich davon eingeschränkt. Insbesondere bei der Lungenabstossung brauchte ich mehrere Wochen, um mich zunächst an den Gedanken zu gewöhnen, weitere Wochen, bis ich mir über die Folgen im Klaren war, und wieder ein paar Wochen um mich mit dem Thema auszusöhnen. In solchen Augenblicken muss ich mir immer mal wieder die Alternative vor Augen halten. Auch lässt sich ein Gefühl der Dankbarkeit und Demut erzeugen, indem man sich die Lebensumstände und/oder Aussichten anderer Kranker vor Augen hält, denen man so begegnet.

Daher bin ich dankbar für das, was ich habe. Mein Chimärismus liegt bei nahezu 100%. Leukämiezellen sind in meinem Blut schon eine Weile nicht mehr nachweisbar.

Ich kann mit meiner Familie zusammen sein. Ohne SZT oder auch (nur) mit Chemo-/Antikörper-Therapie wäre die Zeit meines "medianen Überlebens" jetzt wohl schon vorbei.